Lemke speech at 32 BSPC
Steffi LemkeBundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit undVerbraucherschutz32. BSPC JahrestagungOstseeparlamentarierkonferenz, Baltic Sea Parliamentary Conferenceam 28.08.2023 in BerlinES GILT DAS GERSPROCHENE WORT!Sehr geehrter Herr Präsident Schraps,sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,meine sehr geehrten Damen und Herren,beim Schutz mariner Ökosysteme liegt ein Jahr mit vielen Höhen, aber auch einigenTiefen hinter uns. Die internationalen Verhandlungen wurden und werden vor allemvon der geopolitischen Situation, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg aufdie Ukraine, massiv belastet. In der Ostseeregion sind die Konsequenzen deutlichsichtbar, auch beim Thema Meeresschutz. So leidet zum Beispiel dieZusammenarbeit in der Helsinki-Kommission unter den aktuellenRahmenbedingungen. Die demokratischen Anrainerstaaten sind jedoch sehr darumbemüht, die fachliche Kooperation zur Verbesserung des Ostseeschutzes weitervoranzubringen. Das gilt insbesondere für den Implementierungsprozess des neuenHELCOM-Ostseeaktionsplans 2030, der im Oktober 2021 unter deutschem Vorsitzbeschlossen worden ist. Es geht also weiter voran. Allen Hindernissen zum Trotz.Das wird auch durch die Beantwortung des jährlichen Fragenkatalogs zur Umsetzungder BSPC-Resolution deutlich, die sich beim Ostseeschutz auf den neuenOstseeaktionsplan bezieht.Ich möchte die Jahrestagung der Ostseeparlamentarierinnen und -parlamentariernutzen, den Blick zu weiten und über die wesentlichen Entwicklungen imSeite 1 von 4internationalen Meeresschutz in den letzten 12 Monaten zu berichten. In dieser Zeitkonnten wir mehrere wegweisende Erfolge und Fortschritte erzielen.Im internationalen Meeresschutz vollzieht sich seit etwa Mitte des vergangenenJahres ein echter Paradigmenwechsel. Zunächst hatten sich eine kleine Zahl vonPazifikstaaten und auch Costa Rica, Spanien und Neuseeland kritisch gegenüberdem Beginn des kommerziellen Tiefseebergbaus geäußert. Im Oktober verkündetedann Deutschland – als erster der grundsätzlich bergbauinteressierten Staaten - beider Internationalen Meeresbodenbehörde ISA eine precautionary pause.Deutschland hält zwei Verträge zur Exploration von Tiefseeressourcen ininternationalen Gewässern und galt bis zu diesem Zeitpunkt als Pionier, als pioneerinvestor. Aufgrund des eklatanten Wissensmangels über die Ökosysteme der Tiefseeund der damit verbundenen unkalkulierbaren Risiken einer solchen Nutzungunterstützt die Bundesregierung nun vorerst keine Bergbauvorhaben. Inzwischenhaben sich 21 Staaten zu einer solchen precautionary pause oder einem Moratoriumbekannt. Unser gemeinsames Ziel ist es, die dadurch gewonnene Zeit zu nutzen, umdie wissenschaftliche Kenntnislage deutlich zu verbessern und im internationalenMining Code strenge Umweltstandards zu verankern. Auf der gerade zu Endegegangenen Sitzung konnte immerhin ein Konsens darüber erzielt werden, dass derkommerzielle Tiefseebergbau nicht beginnen sollte, solange es keine wirksamenAbbauregularien gibt.Ein weiterer großer Erfolg ist der Abschluss des UN-Hochseeabkommens, kurzBBNJ. Wir hatten bereits bei der Verhandlungsrunde im August 2022 zum BBNJ-Abkommen auf einen erfolgreichen Abschluss des mehr als 10 Jahre dauerndenVerhandlungsprozesses gehofft. Aber leider konnte sich die Weltgemeinschaftdamals auf den letzten Metern doch noch nicht abschließend einigen. Im März diesesJahres gelang jedoch der Durchbruch. Mit den inzwischen historischen Worten: „Theship has reached the shore!“ konnte Rena Lee als Vorsitzende der IntergovernmentalConference den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen verkünden. Im Juniwurde das Abkommen durch die Staatengemeinschaft im Konsens angenommen.Als nun zuständige Ministerin freue ich mich, dass Ende September die feierlicheUnterzeichnungszeremonie für das Abkommen in New York stattfinden wird. Daswird für uns alle sicher ein ganz besonderer Moment sein, für den wir lange und hartgearbeitet haben.Seite 2 von 4Deutschland und die Europäische Union werden sich für eine schnelle Ratifizierungdes Abkommens einsetzen. Unser Ziel ist es, dass das BBNJ-Übereinkommen biszur UN Ozean-Konferenz in Nizza 2025 in Kraft treten kann. Dafür muss es von 60Staaten ratifiziert werden. Dieser ambitionierte Zeitplan ist auch für die Umsetzungdes neuen Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt von Bedeutung. Bei derletzten CBD-COP hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, bis 2030 30Prozent der globalen Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Dafür müssen wir auchSchutzgebiete auf der Hohen See ausweisen. Das BBNJ-Abkommen ist hierfür einwichtiges Umsetzungsinstrument.Last but not least möchte ich die Fortschritte für ein rechtlich verbindliches UN-Abkommens gegen Plastik in der Umwelt ansprechen, das gerade auch den Meerenhelfen wird. Trotz anfänglicher Verfahrensschwierigkeiten hat der internationaleVerhandlungsprozess inzwischen inhaltlich Fahrt aufgenommen. Das prioritäre Zielfür die im November in Nairobi anstehende dritte Verhandlungsrunde lautet:Vermeidung von Abfällen. Ich bin überzeugt, dass wir die Probleme weder durchVerbote und Einschränkungen von einzelnen Produkten, noch durch reinesAbfallmanagement in den Griff bekommen werden. Wir können uns aus derPlastikkrise auch nicht ‚herausrecyceln‘. Die Lösungen liegen vielmehr in einerReduzierung der Produktion von Plastik, wie zum Beispiel von unnötigen,vermeidbaren und problematischen Produkten oder „Überverpackungen“. Außerdembrauchen wir Zirkularität, also möglichst geschlossene, nicht toxische Stoffkreisläufe,eine Verlängerung der Produktlebensdauer und bessere Reparierbarkeit.Mit Blick auf die internationalen Prozesse möchte ich einen Aspekt ergänzen, dervielleicht nicht ‚reine‘ Meeresschutzpolitik ist, aber sehr eng mit ihr verknüpft ist: Dieinternationale Klimapolitik. Es gibt viele Wechselwirkungen zwischen Klima undMeeren. Deshalb hilft jeder Fortschritt in einem Bereich immer auch dem anderen.Meeresschutz ist Klimaschutz und umgekehrt. Die letzte Klima-COP in Sharm ElSheikh ist bekanntlich deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ein Kollegevor Ort hat es aber sehr treffend formuliert: The ocean was in the room!Meine sehr geehrten Damen und Herren,da Sie als Ostseeparlamentarier naturgemäß ganz besonders auf die Ostseeschauen, habe ich mir ein wichtiges Thema mit Ostseebezug bis zum SchlussSeite 3 von 4aufgehoben: Am 17. Februar 2023 hatten wir in Berlin die Kick Off-Veranstaltung zurUmsetzung des Sofortprogramms Munition. Frau Abgeordnete Kassautzki war imFebruar mit dabei. Die Bundesregierung stellt bis einschließlich 2025 100 MillionenEuro zur Verfügung, um exemplarisch die Bergung und Vernichtung vonkonventioneller Altmunition aus der Ostsee durchzuführen. Der notwendige Aufwandim Haushalts- und Vergaberecht ist enorm. Außerdem ist die fachliche Verknüpfungeiner Vielzahl von Disziplinen und Akteuren sehr anspruchsvoll. Trotzdem gehen wirweiter davon aus, dass spätestens Anfang 2024 mit dem Bau einer mobilenschwimmenden Entsorgungsanlage und spätestens Anfang 2025 mit der pilothaftenBergung aus den deutschen Gewässern der Ostsee begonnen werden kann. Ichhabe mich sehr darüber gefreut, dass Kommissar Sinkevicius dieses Thema in denMittelpunkt der Ostsee-Ministerkonferenz in Palanga (Litauen) im September stellenwird. Es ist von großer Bedeutung, dass er bei dieser Gelegenheit die von der EUvorgesehene Unterstützung für die ostseeweiten Maßnahmen vorstellt.Wie alle Meeresthemen werden wir auch das Thema Munitionsbergung nur dannerfolgreich lösen, wenn alle fachlich Betroffenen und alle verantwortlichen politischenKräfte an einem Strang ziehen. Deshalb schließe ich mit einem Wunsch an Sie alsOstseeparlamentarierinnen und -parlamentarier: Bitte unterstützen Sie auchzukünftig aus den Parlamenten der Anliegerstaaten heraus unsere ganz praktischenMaßnahmen, damit wir gemeinsam zumindest die ‚Ostsee-Welt‘ ein kleines bisschenbesser machen. Sie ist auf unser Engagement dringend angewiesen.Vielen Dank!Seite 4 von 4